Und vor allem, warum glaube ich, dass ich die Richtige an Ihrer Seite bin, wenn Sie jemanden bestatten müssen, Abschied nehmen oder Gedenken?
In meinem Lebenslauf würde stehen, dass ich 1974 geboren bin, mein Abitur gar nicht schlecht abgeschlossen habe, eine Ausbildung zur Schauwerbegestalterin absolvierte, dann in einer Werbeagentur und als Dekorateurin bei Österreichs größtem Wäschekonzern gearbeitet habe. Ab 2006 war ich Mitinhaberin und ab 2011 Geschäftsführerin einer Internetagentur. 2018 habe ich diese Agentur geschlossen, um nach langer Zeit mit unzähligen Überlegungen, Abwägungen, Zweifel und schlaflosen Nächten auf ganz neuen Wegen unterwegs zu sein.
In den letzten Jahren habe ich erfahren, dass Menschen die sich intensiv, offen und auf eine innovative Weise mit dem Thema «Sterben, Tod und Trauer» beschäftigen, meistens abseits der erlernten Pfade gehen. Irgendwann fragen sie sich ohne besonderen Anlass, ob die bisherige Tätigkeit ihnen wirklich entspricht, oder sind Menschen, die mitten im Leben mit dem Thema konfrontiert wurden, aus persönlichen Erfahrungen gelernt haben, ihrem Leben eine neue Richtung geben und fortan in diesem Bereich tätig sind — ehrenamtlich oder (neu) hauptberuflich.
Ich gehöre eher zur letzten Gruppe. Die meiste Zeit meines Lebens waren Tod und Trauer kein Thema. Wie so viele Menschen habe ich wohl eher nach dem Motto gelebt «Das trifft eh nur andere.». Doch dann wurde ich schonungslos eines Besseren belehrt und musste mich von dem damals wichtigsten Menschen in meinem Leben verabschieden. Ich wurde nicht gefragt, nicht vorbereitet — von heute auf morgen hatte ich keinen Mann, besten Freund, Geschäftspartner, Geliebten und Ratgeber mehr.
Was nun? Ich ging durch ein Tal der Tränen, war wütend, traurig, hatte große Angst vor dem was nun kommt, fühlte mich allein und haltlos. Aber eines fühlte ich mich nicht -> hilflos. Ich begann die Trauerfeier zu planen. Ich wollte unbedingt diesen letzten Schritt in unserem Sinne gehen. Ich wollte es zu Ende bringen wie wir es gemeinsam gemacht hätten, wie es zu ihm passte. Ich wollte keinen Standard, wollte nicht, dass die Beisetzung eine Nummer ist. Ich konnte nicht von dem Gedanken lassen, meine Ideen umzusetzen, so unkonventionell sie auch waren. Ich nahm die (leere) Urne mit nach Hause und gestaltete sie. Saß nächtelang vor unserem CD-Regal, quälte den Google Übersetzer und suchte die besten drei Lieder aus. Ich kaufte schönes Papier und Farben und gestaltete jede einzelne Gedenkkarte. Ich plante die Blumengestecke, suchte die Blumen im Blumenladen aus und konnte mich kaum von dem Papier lösen, auf dem ich eine Rede schrieb.
Jahre später verstarb wieder eine mir sehr vertraute Person und ich ging den gleichen Weg. Wir haben eine Beisetzung — gefeiert hätte ich fast gesagt — aber ja, wir haben das Leben der verstorbenen Person gefeiert und jeder einzelne Gast ist mit einer Träne im Auge und einem Lächeln auf den Lippen gegangen. Noch Wochen später kamen Nachrichten und Anrufe, in denen sich die Menschen für diesen wunderbaren Abschied bedankt haben.
Wenn ich mich heute frage, was zwischen dem Tod und meinem weiteren, neuen Leben nach dem Tod war, was dazu beigetragen hat, dass ich mit der Tatsache, einen wichtigen Menschen verloren zu haben Frieden schließen konnte, was mich nicht hat verzweifeln lassen und den Raum eröffnet hat für die vielen schönen Erinnerungen, für Dankbarkeit, so viele Jahre mit diesem Menschen verbringen zu dürfen, den Verlust als Teil meines Lebens anzunehmen und daran auch zu wachsen, habe ich eine Antwort. Für mich spielen die Art und Weise des Abschieds und der Umgang mit dem Tod eine unheimlich große Rolle. Das Gefühl zu haben, alles richtig gemacht zu haben, einen Abschied erlebt zu haben, der genauso war wie das Leben selbst, ist unheimlich wertvoll und trägt mich bis heute.
Zu erleben, wie auch andere Menschen die Erfahrungen machen, dass ein authentischer und gelebter Abschied einen wichtigen Schritt in der Trauer begleitet, zu sehen, wie sich die Trauer- und Bestattungskultur wandelt, zusammengenommen mit meinen Fähigkeiten, meinen Erfahrungen — auch in der Hospizbewegung — und Kompetenzen und meiner Leidenschaft, hat mich dazu bewegt valediction zu gründen.